Nukus (11.Juni - 12.Juni): 29. Bett, 16. Wohnung
Khiva (12.Juni - 14.Juni): 30. Bett, 11. Hotel
Bukhara (14.Juni - 16. Juni): 31. Bett, 12. Hotel
Samarkand (16.Juni - 19.Juni): 32.Bett, 13. Hotel
Taschkent (19.Juni - 21.Juni): 33.Bett, 17. Wohnung
Taschkent (21.Juni - 23.Juni): 34. Bett, 14.Hotel
Fergana (23.Juni - 24.Juni): 35. Bett, 15.Hotel
Andijon (24.Juni - 25.Juni): 36. Bett, 16. Hotel
Es gibt eine usbekische Geschichte, die wie folgt lautet:
Es war einmal, vor sehr sehr langer Zeit, dass Gott die Erde unter den Völkern aufteilte. Alle Vertreter der einzelnen Völker traten vor Gott und fragte, auf welchem Stück der Erde ihr Volk denn leben sollte. Da nicht alle gleichzeitig mit Gott reden konnten, bildete sich eine Schlange. Der Vertreter des usbekischen Volkes war dabei so gastfreundlich, dass er all die anderen Wartenden in der Schlange vorließ. Wenn immer jemand hinter dem Usbeken anstand, bot dieser ihm seinen Platz an. Als die Vertreter aller Völker bei Gott vorgesprochen hatten und ihrem Teil der Welt zugeordnet wurden, kam der usbekische Vertreter als Allerletzter an die Reihe. Gott fragte: "Was willst Du?" Und der usbekische Vertreter sagte: "Ich möchte wissen, wo auf der Erde mein Volk leben soll.". Gott antwortete: "Oh, jetzt habe ich die ganze Welt unter all den anderen Völker aufgeteilt und es ist kein Platz mehr übrig. Aber lass mich schauen, was ich Dir und Deinem Volk noch geben kann." Nach langem Suchen und Grübeln kam der Gott zurück und verkündete: "Sieh, ich habe keinen Platz mehr auf der Erde für dich gefunden. Das einzige was ich Dir und deinen Leuten noch anbieten kann, ist Folgendes." Und mit diesen Worten überreichte Gott dem Vertreter des usbekischen Volkes einen kleinen Teil des Paradieses. Seitdem leben die Usbeken fröhlich und zufrieden in dem ihnen zugewiesenen Teil des Paradieses.
So nett die Geschichte auch anzuhören ist und so oft ich sie erzählt bekommen habe, so viel kann man in sie hineininterpretieren. Dass die Usbeken sehr gastfreundlich sind, stimmt über alle Maße. Als ich mit dem Zug aus Kasachstan in Usbekistan ankam, entfachte sich ein regelrechter Streit unter den Mitreisenden, bei wem ich als Gast übernachte dürfte. Am Ende fanden wir einen Kompromiss und ich verbrachte den kompletten ersten Tag bei der einen Familie und die Nacht und den Morgen des zweiten Tages bei der anderen Familie. Alle gaben sich, mit ihren bescheidenen Verhältnissen, unglaubliche Mühe, so zuvorkommend wie möglich zu sein. Große Essen wurden vorbereitet für mich, jeder kochte, kaufte frische Früchte und trommelte die ganze Familie zusammen, um mir Hallo zu sagen. Wenn man solche Gastfreundschaft im Ausland erfährt, dann fühlt man sehr schnell, ob es aus Herzlichkeit und Interesse getan wird, oder aus Angeberei vor dem Nachbarn und der Hoffnung auf eine Verbindung zu einem relativ reichen West'ler. In Usbekistan jedoch war es durchgehend die Herzlichkeit der Menschen, die zur Gastfreundschaft antrieb und kein Opportunismus.
In der einleitenden Geschichte heißt es, dass Usbekistan ein Stück des Paradieses sei. Wenn ich mir die Landschaft Usbekistans anschaue, so bin ich mir sicher, dass es Orte auf der Welt gibt, die dem Paradies näher zu sein scheinen. Usbekistan ist eines von zwei Ländern (Lichtenstein ist das Andere) in der Welt, welches landlocked-landocked ist. Das heißt, dass man mindestens zwei Länder durchqueren muss, um einen Ozean zu erreichen. Genau so fühlt es sich in Usbekistan auch an. Das Meet ist verdammt weit weg. Der Westen von Usbekistan ist unglaublich heiß, bestehend aus Wüste, während der Osten mit einem vergleichbar mildem Klima Bäume und grüne Landschaft aufzuweisen hat. Seen gibt es wenige und der größte See, der Aral-See, der teilweise auf usbekischem Territorium ist, trocknet seit den 60iger Jahren aus und wird sehr bald wohl verschwunden sein. Schuld daran ist der politische Fokus auf die Landwirtschaft, welche sich auf wasserbegierige Baumwolle spezialisiert hat. Dem Trend des Austrocknens des Gewässers werden keine Maßnahmen entgegengesetzt.
Trotz der oben beschriebene geografischen Mängel des Landes, scheinen viele Usbeken tatsächlich davon überzeugt, im Paradies auf Erden zu leben. Der Kontakt nach Außen ist für die meisten Usbeken so beschränkt, dass ihnen auch keine große andere Wahl bleibt, als an die Schönheit des eigenen Landes zu appellieren. Der Vergleich zu anderen Ländern fehlt den meisten schlichtweg. So braucht man als Usbeke, um das Land verlasse zu dürfen, eine Genehmigung der Regierung. Einfach so Tourist sein, geht als Usbeke nicht. Eine Auslandsreise ist an Bedingungen geknüpft. Männer kriegen nur die Erlaubnis eine Reise zu machen, sofern sie beim Militär waren, oder die Gebühr bezahlt haben, dass sie nicht beim Militär waren. Einer meiner usbekischen Bekannten war 26 und noch nie als Tourist im Ausland. Er hatte es versucht, aber da er nicht beim Militär war, wurde ihm die Ausreisepapiere verweigert. Jetzt hat er sich dazu entschieden, einen Monat zum Militär zu gehen, um die Ausreisedokumente bekommen zu können und um nicht mehr von dem Militär belästigt zu werden, wann er denn endlich seinen Dienst antreten würde.
Dies lässt mich dazu überleiten, dass Usbekistan der ausgeprägteste Polizeistaat ist, in dem ich je gewesen bin. Da ich viel in Kontakt mit Usbeken war, oft meine Meinung frei herausposaunt habe und diverse Male gesagt bekommen habe, dass ich doch lieber leise sein solle mit solchen politischen Äußerungen und das Thema abrupt gewechselt wurde, hatte ich zum Ende meiner Reise ein mulmiges Gefühl. Was wäre, wenn einer meiner Gesprächspartner meine Meinungen an Offizielle weitergeleitet hätte und man mich an der Grenze angehalten und befragt hätte? Ich weiß, in einem usbekischen Gefängnis würde ich wohl nicht landen, aber äußerst unangenehm wäre es geworden. Ganz zu Beginn war ich so naiv, nicht immer erst zu fragen, was der Beruf der Menschen war, mit denen ich kommunizierte. In dem einen Fall stellte es sich, nach einem ca. einstündigen Gespräch heraus, dass mein Gegenüber bei der Zentralbank arbeitet und somit ein Teil der Regierung ist. Er erzählt mir, dass, als die neue Bibliothek in der usbekischen Hauptstadt Tashkent, eingeweiht wurde, er die Aufgabe hatte, die neuen Bücher durchzugehen und jene auszusortieren, welche regierungskritische Texte beinhalteten. Und da war ich nun und redete einem usbekischen Regierungs-Zentralbanker westlichen politischen Konsens daher. Nachdem ich ein paar Mal geschluckt hatte, beruhigte sich die Situation, er schmunzelte, sagte, dass ich solche politischen Äußerungen in Usbekistan nicht sagen sollte und fing in einer ironischen Weite an, über das Wetter zu reden. Ich tat es ihm gleich.
Andere Situationen waren ähnlich, wenn auch nicht ganz so brenzlich. Einmal hatte ich eine harmlose Frage über eine innenpolitische Angelegenheit bezüglich des Präsidenten. Statt einer Antwort hob mein Gesprächspartner seinen Zeigefinger vor den Mund und gab ein "Ssscchh" von sich, um mir zu verstehen zu geben, dass man solche Fragen in Usbekistan nicht stellt. Ich verstand und sprach nicht weiter.
Ein anderes Mal fragte ich einen anderen Usbeken etwas bezüglich der Regierung. Die Antwort war, dass man über die Regierung nicht informiert sei und keiner über innenpolitische Angelegenheiten reden würde. Mein Gesprächspartner wüsste den Namen des Präsidenten, aber kein einziger Minister oder anderer Politiker sei ihm bekannt. Es gäbe einfach nur den Präsidenten und sonst nichts, keine bekannten Minister, keine Opposition, keine Parteien, einfach nur den Präsidenten. Seine Worte waren sinngemäß, dass 'Politik in Uzbekistan halt nicht existieren würde'. Der usbekische Präsident Islom Karimov ist sehr alt und wird wohl nicht mehr all zu lange leben. Viele Beobachter spekulieren, dass Usbekistan in sehr unsichere Zeiten fallen wird, sobald der gegenwärtige Machthaber stirbt, da es ein Machtvakuum geben wird. In der Folge werden vermutlich seit Jahrzehnten unterdrückte politische Gruppierungen um die Macht kämpfen. Auch grenzt Usbekistan an Afghanistan, weshalb die Angst besteht, dass islamistische Strömungen, nach dem Tod des gegenwärtigen Präsidenten, in Usbekistan an Einfluss gewinnen könnten. Hoffentlich Bewahrheiten sich die Befürchtungen nicht und Usbekistan wird eine friedliche Machtübergabe gelingen.
Usbekistan ist, meiner Meinung nach, weit hinter den westlichen Gesellschaften zurück, auf ökonomischer, politischer sowie gesellschaftlicher Ebene.
Zuallererst möchte ich die ökonomischen Situation Usbekistans erläutern:
Einleitend ist zu sagen, dass es in Usbekistan nur zwei Automarken gibt (Daewoo & Chevrolet), wobei gegenwärtig nur eine Automarke aktiv verkauft werden darf, nämlich Chevrolet. Der Import von anderen Autos ist verboten, bzw. mit solch hohen Zöllen belegt, dass niemand ausländische Autos kauft. Das Ergebnis ist, dass in ganz Usbekistan, bis auf einige Daewoos, nur Chevrolets rumfahren. Die merkantilistische Wirtschaftspolitik wird nicht nur auf die Autos angewendet, sondern auch auf alle andere Produkte in Usbekistan. Das Ziel der Regierung ist es, die heimische Wirtschaft zu fördern und es wird geglaubt, dass dieses Ziel erreicht werden kann, indem man Importe blockiert. Darunter jedoch leidet die Bevölkerung. Chevrolets sind, auf Grund der Monopolstellung des Konzerns, in Usbekistan teurer als im Ausland. Auch fließt kein Kapital ins Land, welches den Wohnungsbau fördern würde. Stattdessen zahlte zum Beispiel einer meiner Gastgeber, welcher Lehrer war und 200 Dollar im Monat verdiente, für seine Wohnung 250 Dollar Miete pro Monat. Um diesen Betrag aufbringen zu können, teilte er sich seine Zweizimmerwohnung mit vier Studenten. Es war überragend, dass ich überhaupt noch als Gast so freundlich aufgenommen wurde und als sechste Person in einer Zweizimmerwohnung unterkommen konnte. Auch die Geldpolitik des Landes ist vor die Wand gefahren. Der offizielle Wechselkurs ist ca. 1Dollar=3000Sum. Der inoffizielle Wechselkurs ist 1Dollar=6000Sum. Die Menschen haben das Vertrauen verloren in die usbekische Währung, jedoch meint die usbekische Regierung, die usbekische Währung künstlich hoch halten zu können. All meine Dollars habe ich, so wie alle Touristen und Usbeken, auf dem Schwarzmarkt getauscht. Da die Regierung die Inflation nicht eingesteht, werden keine Scheine gedruckt, die mit der Geldentwertung mithalten. Das Ergebnis ist es, dass der meistgebrauchte Schein ein 1000 Sum- Schein ist, welcher ca. 15 Euro-Cent wert ist. Ihr könnt euch vorstellen wie es aussah, als ich 50 Euro in 1000Sum-Scheine, umgerechnet 15 Euro-Cent-Noten, umtauschte..
Die mangelhafte politische Situation in Usbekistan habe ich wie folgt erlebt:
Im Jahre 2005 gab es einen Zwischenfall, welcher westliche Regierungen dazu veranlasste, den Kontakt zu der usbekischen Regierung abzubrechen. In der Stadt Andijon hatten größtenteils friedliche Demonstrationen stattgefunden, welche gegen die Regierung gerichtet waren. Als Reaktion wurden Polizeikräfte geschickt, die die Kundgebung brutal beendeten und im Zuge dessen mehrere hundert Demonstranten auf offener Straße erschossen. Das Ereignis ging als Andijon-Massaker um die Welt. Seit diesem Vorfall ist die Kritik in Usbekistan an der Regierung strengstens verboten. Medienberichten zufolge werden politische Blogger festgenommen und teilweise zu Tode gefoltert. Die Bevölkerung wird durch die Machthaber aufs äußerste überwacht. Einer meiner Gastgeber berichtete mir, dass jeder Usbeke alle sechs Monate zum Amt muss, um sich zu registrieren und nachzuweisen, dass man weiterhin da lebt, wo man amtlich eingetragen ist. Auch ich als Tourist musste mich registrieren. Mindestens alle drei Tage musste ich in einem Hostel schlafen, sodass die Hostelbetreiber bei der Polizei anrufen konnten, um meine Reisepass-Daten durchzugeben. Hätte ich das nicht getan, hätte ich viel Stress und vermutlich eine sehr hohe Geldstrafe an der Grenze bekommen. Auch ist Usbekistan eines der letzten Länder in der Welt, in dem bis heute Menschen in sklavenähnlichen Verhältnissen leben. Offiziell ist die Sklaverei abgeschafft, aber nach wie vor gibt es einige tausend Menschen, die in Usbekistan auf den Feldern schuften müssen, ohne einen richtigen Lohn, ohne Rechte und ohne die Möglichkeit, aus ihrer Lage zu entfliehen. Und es gibt einen weiteren Umstand in Usbekistan, welcher stark zu kritisieren ist: Einmal pro Jahr ist nämlich Baumwollernte. In dieser Zeit müssen ALLE Usbeken, also Kinder, Studenten, Lehrer, Arbeitnehmer und -geber auf die Baumwollfelder, um zu pflücken, es sei denn sie leben in Taschkent, oder sie könne sich mit jährlich ca. 200Dollar freikaufen. Das Ergebnis ist, dass die Reichen sich freikaufen und die Armen für vier Wochen gegen einen Hungerlohn auf die Felder müssen.
Nach ca. zwei Wochen als Tourist in Usbekistan war ich froh endlich auszureisen. Erst als ich ausreiste und in Kyrgyzstan ankam, bemerkte ich, welch Last es für mich dargestellt hatte, mich ständig beobachte zu fühlen und das Gewissen zu haben, dass ich mich in einem Land aufhalte, welches Menschen meines Alters in Gefängnisse wirft, nur weil sie ihre Meinung zu der politischen Situation offen besprochen haben. In Usbekistan herrschen politische Bedingungen, die einem die Haare zu Berge stehen lassen. Die freie Meinungsäußerung, die wir hier in Europa als so gottgegeben verstehen, ist ein Schatz, den ich erst in Usbekistan in seiner vollen Wichtigkeit zu würdigen verstanden habe.
Auch gesellschaftlich hat Usbekistan noch eine Menge Luft nach oben frei. Eine meiner Gastgeberinnen fragte ich, wieso sie kein Facebook habe. Sie druckste lange rum und antwortet nicht. Später erzählte mir ihre Schwester, dass ihr Freund es ihr verbiete social media zu benutzen. Das verdutzte mich und ich fragte keck bei meiner Gastgeberin nach, wieso ihr Freund ihr denn Facebook nicht erlauben würde. Meine Gastgeberin zuckte mit den Achseln und meinte: „He is very strict“. Damit war das Thema für sie geklärt. Für mich war es ein Beweis dafür, wie die Stellung der Frau in Usbekistan ist. Zwar laufen die meisten Frauen in Kleidung herum, die für eine gewisse weibliche Emanzipation zu sprechen scheint. Fakt ist aber, dass die Beziehungen zwischen Mann und Frau nach wie vor sehr traditionell sind. Auch Sex vor der Ehe ist ein no-go. Eine der witzigsten Unterhaltungen hatte ich, als ich mit zwei Usbeken das EM-Spiel Russland gegen Wales besprach. Als ich erwähnte, dass es in Deutschland die Norm ist, dass Frauen vor der Ehe Sex haben und die meisten Menschen in der Stadt aus der ich komme, Berlin, nie heiraten und trotzdem Kinder haben, waren sie sehr perplex. Die Gesichter des Erstaunens waren unbeschreiblich. Einer meiner Gesprächspartner zuckte bei meiner Erzählung sogar merklich zusammen. Davon, dass man auch ohne Heirat eine Familie gründen kann, hatten sie beide noch nie gehört.
Usbekistan war eine sehr wichtige Erfahrung für mich. Es war ein Land, welches mir gezeigt hat, wie viele Rechte in Europa etabliert sind, für deren Erhalt es sich einzusetzen gilt.
Es gibt sehr viele Binsenweisheiten, deren Tragweite man erst vollkommen versteht, wenn man sie einmal erlebt hat. Einem Kind kann man tausend Mal sagen, dass die Herdplatte heiß ist. Erst wenn es sich fast verbrannt oder wirklich verbrannt hat, versteht es, dass die Herdplatte wirklich sehr heiß ist und es sich in Zukunft davon fernhalten soll. So geht es mir gerade mit den deutschen, den europäischen Grundrechten. Ich habe immer verstanden, dass diese wichtig sind und einen Grundpfeiler der deutschen Demokratie darstellen. Aber erst jetzt, nachdem ich einen solchen Unrechtsstaat wie Usbekistan besucht habe, habe ich mich, um bei der Metapher des Kinder zu bleiben, ausreichend verbrannt, und weiß, welche Art von Gesellschaft entstehen kann, wenn das Recht nicht mehr recht ist.
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